Der BGH zu der Frage der Verwendung nicht genehmigter Filmaufnahmen

Der BGH zu der Frage der Verwendung nicht genehmigter Filmaufnahmen über Betriebsinterna

Zur Frage der Veröffentlichung rechtswidrig beschaffter oder erlangter Informationen durch Filmaufnahmen

Unternehmerpersönlichkeitsrecht versus Medienfreiheit

Entscheidung vom 10. April 2018, Az: VI ZR 396/16

In dieser Entscheidung befasst sich der Bundesgerichtshof mit der Frage, ob die Klägerin als Inhaberin Bio-Hofs einen Anspruch auf Unterlassung gegen die Beklagte Rundfunkanstalt hat.

Die Beklagte Rundfunkanstalt hatte am 3. September 2012 exklusiv unter dem Titel „biologische Tierhaltung und ihrer Schattenseiten“ eine Sendung ausgestrahlt.

Es wurde unter voller Namensnennung der Bericht einer Tierschutzorganisation ausgestrahlt, die nachts heimlich in den Hühnerställen eingedrungen war und dort Filmaufnahmen angefertigt hatte.

Die Vorinstanzen, das Landgericht Hamburg sowie das OLG Hamburg hatten die Rundfunkanstalt zunächst verurteilt, es zu unterlassen, die so angefertigten Bildaufnahmen zu verbreiten. Als Begründung hatte die Vorinstanz entschieden, die Inhaberin der Betriebe müsse es nicht dulden, dass die Bildaufnahmen, die nicht für die Öffentlichkeit zugängliche Teile des Betriebsgeländes zeigten, veröffentlicht würden.

Zum einen seien die Bildaufnahmen unter Verletzung des Hausrechts der Klägerin zustande gekommen und darüber hinaus ließe sich deutlich erkennen, dass sie zu Zeiten und an Orten angefertigt worden waren, an denen sich keine Besucher in dem Betrieb aufhielten. Die Inhaberin des Hausrechtes wollte erkennbar nicht, dass Bilder aus diesen Bereichen der Öffentlichkeit gezeigt werden.

Die Vorinstanzen hatten maßgeblich darauf abgestellt, dass sich die Rundfunkanstalt die Bilder nicht selbst rechtswidrig verschafft habe. Zwar kann in einem solchen Fall der Veröffentlichung solcher Bilder ein so hoher Öffentlichkeitswert zukommen, der das öffentliche Interesse das Interesse an der Integrität der Betriebssphäre übersteigt.

Dazu wäre aber erforderlich, dass es sich um einen Missstand von erheblichem Gewicht handelt, an dessen Aufdeckung ein überragendes öffentliches Interesse besteht.

In diesem Fall hatte die Vorinstanz ein solches berechtigtes Interesse der Allgemeinheit an einer Information nicht angenommen und es damit der Rundfunkanstalt zunächst untersagt, unerlaubt entstandene Bildaufnahmen zu veröffentlichen, da den Tierhaltern ein Rechtsbruch nicht vorzuwerfen sei.

 

Der BGH diese Entscheidung aufgehoben und es der beklagten Rundfunkanstalt somit erlaubt, rechtswidrig erstellte und erlangte Bildaufnahmen zu verwenden.

Interessant ist die Begründung zu diesem Urteil, die erneut das hohe Gut der Presse-, Rundfunk- und Meinungsfreiheit herausstellt. Unmittelbar kommt diese Entscheidung auch dem mündigen Verbraucher zugute.

Einen Unterlassungsanspruch gegen die Rundfunkanstalt konnte der BGH bereits darin nicht zuerkennen, da keine unwahren Tatsachenbehauptungen mitgeteilt werden.

§ 824 BGB schützt die wirtschaftliche Wertschätzung von Personen und Unternehmen vor unmittelbaren Beeinträchtigung, die durch Verbreitung unwahrer Behauptungen über sie herbeigeführt werden. Grundsätzlich kann eine solche Verbreitung auch durch das Ausstrahlen von Filmaufnahmen erfolgen, mit denen Vorgänge dokumentiert werden sollen.

Dabei stellt der BGH heraus, dass es zur Erfassung des Informationsgehalts einer Filmberichterstattung auf das Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittsrezipienten ankommt. Zudem ist auf dem Gesamtgehalt der Berichterstattung abzustellen. Der Aussagegehalt von Fernsehberichten wird regelmäßig durch das Zusammenwirken von Bild und gesprochenem Wort bestimmt. Das Bild ist in engen Bezug zu dem zugeordneten Text zu verstehen. Seine Aufgabe ist es zunächst, das Gesagte ins Bild zu setzen, umgekehrt strukturiert die Bildaussage den gesprochenen Text und grenzt ihn ein. Dies entspricht der Seherwartung des durchschnittlichen Fernsehzuschauers. Diese Aufgabe, die Bildaussage würde verkürzt oder gar versperrt, wenn bei der Auswahl der Bilder stets darauf geachtet werden müsste, ob nicht in der bildlichen Umsetzung des gesprochenen Wortes noch ein weitergehender Aussagegehalt erscheint, der das Gesagte nicht nur bildlich umsetzt, sondern es inhaltlich in eine bestimmte Richtung weiterführt oder verändert.

In den Filmaufnahmen werden lediglich die tatsächlichen Verhältnisse in den Hühnerställen zutreffend wiedergegeben. Die Äußerung hierzu lautete „die Massenware Bio scheint auch auf Kosten der Kreatur zu entstehen“. Dabei wird die Innenaufnahme eines toten, verstaubten und nur zur Hälfte ungefederten Huhns bildlich umgesetzt.

Die beanstandeten Film Aufnahmen erweitern den Aussagegehalt der Bildberichterstattung über das gesprochene Wort hinaus nicht.

Der BGH stellt weiter fest, dass die ungenehmigten Filmaufnahmen, die die Massentierhaltung dokumentieren geeignet sind, das Ansehen und den wirtschaftlichen Ruf der Inhaberin der Stelle in der Öffentlichkeit zu beeinträchtigen. Denn sie stehen im klaren Widerspruch zur öffentlichen Selbstdarstellung, die mit „glücklichen“ freilaufenden Hühnern wirbt.

Die Verbreitung ungenehmigte Filmaufnahmen über Betriebsinterna stellt damit grundsätzlich einen betriebsbezogenen Eingriff in den Gewerbebetrieb dar. Betroffen ist das Interesse des Unternehmensträgers, seine innerbetriebliche Sphäre vor der Öffentlichkeit geheim zu halten.

Im Ergebnis kommt der BGH zu dem Schluss, dass das von der Rundfunkanstalt verfolgte Informationsinteresse der Öffentlichkeit und ihr Recht auf Meinung- und Medienfreiheit das Interesse der Unternehmensträgerin am Schutz ihres sozialen Geltungsanspruchs überwiegt.

 

Bei Abwägung der kollidierenden Interessen hat der BGH berücksichtigt, dass der Dokumentarfilmer nachts ohne Erlaubnis in den Betrieb des Unternehmens eingedrungen ist und die dort vorgefundenen Zustände gefilmt hat. Hierbei hatte er das Hausrecht des Unternehmens verletzt.

Allerdings wird auch die Veröffentlichung rechtswidrig beschaffter Informationen vom Schutz der Meinungsfreiheit umfasst, andernfalls wäre die Funktion der Presse als „Wachhund der Öffentlichkeit“ beeinträchtigt. Hierzu gehört es, auf Missstände von öffentlicher Bedeutung hinzuweisen. Ein gänzlicher Ausschluss der Verbreitung rechtswidrig beschaffter Informationen aus dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit würde dazu führen, dass der Grundrechtsschutz von vornherein in den Fällen entfiele, in denen es seiner bedarf.

Daher ist der Rechtswidrigkeit der beschafften Informationen Rechnung zu tragen. Dies erfolgt, indem der Zweck der beanstandeten Veröffentlichung und das Mittel, mit dem der Zweck verfolgt wird, einander gegenübergestellt werden.

Der Meinungsfreiheit kommt umso größeres Gewicht zu, je mehr es sich um einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage handelt. Umgekehrt kommt der Meinungsfreiheit umso geringeres Gewicht zu, je mehr die Veröffentlichung sich unmittelbar gegen ein privates Rechtsgut richtet und im privaten Verkehr eigene Ziele verfolgt. Bei der Bewertung des Mittels kann es verschiedene Abstufungen geben, etwa einen vorsätzlichen Rechtsbruch, um die so erlangten Informationen gegen hohes Entgelt weiterzugeben. Andererseits gibt es auch rechtswidrig beschaffter Informationen, bei der die Rechtswidrigkeit bei Wahrung der publizistischen Sorgfaltspflicht nicht einmal erkennbar sein kann.

Verschafft sich der Publizierende die Informationen durch Täuschung in der Absicht, diese gegen den getäuschten zu verwerten, hat die Veröffentlichung grundsätzlich zu unterbleiben. Eine Ausnahme kommt nur in Betracht, wenn die Informationen für die Öffentlichkeit und für die öffentliche Meinungsbildung eindeutig die Nachteile überwiegt. Diese Nachteile sind eindeutig nicht als überwogen anzusehen, wenn Zustände offenbart werden, die ihrerseits nicht rechtswidrig sind. In diesem Fall kommt zum Tragen, dass dem Publizierenden die rechtswidrige Informationsbeschaffung nicht selbst anzulasten ist. Dies gilt auch dann, wenn ihm die Rechtswidrigkeit der Informationsbeschaffung nicht verborgen geblieben ist.

Der Unterschied zur eigenen rechtswidrigen Informationsbeschaffung liegt dann für den BGH darin, dass es einen wesentlichen Unterschied im Unrechtsgehalt ausmacht. Hier hatte sich die Rundfunkanstalt die Information nicht durch vorsätzlichen Rechtsbruch verschafft, um sie anschließend auszustrahlen. Die Rundfunkanstalt hat sich nicht an dem begangenen Hausfriedensbruch beteiligt, sondern aus dem erkannten Rechtsbruch lediglich Nutzen gezogen.

Berücksichtigt wurde auch, dass keine Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse offenbart wurden. Es wurden keine relevanten oder geheimhaltungsbedürftigen Produktionsabläufe gezeigt, vielmehr lediglich die Stelle gezeigt, in denen die Hühner gehalten wurden. Gewürdigt hat der BGH ferner, dass sich der Filmbeitrag unter den Gesichtspunkten der Verbraucherinformation und der Tierhaltung kritisch mit der Massenproduktion von Bioerzeugnissen auseinandergesetzt hat und die Diskrepanz zwischen dem suggerierten hohen ethischen Produktionsstandard einerseits und den tatsächlichen Produktionsstätten andererseits aufgezeigt hat. Der Filmbericht beleuchtet die Auswirkungen, die Aufnahme von Bioerzeugnissen in das Sortiment der Supermärkte und Discounter zur Folge hat und wirft die Frage auf, wie preisgünstig Bio Erzeugnisse sein können. Der Film deckt damit auf, dass hinsichtlich der Haltungsbedingungen für die Tiere kein wesentlicher Unterschied zu der konventionellen Produktion besteht. Damit informieren die Filmaufnahmen den Zuschauer zutreffend und transportieren keine unwahren Tatsachenbehauptungen. Die Bilder verleihen dem gesprochenen Text Authentizität und machen ihn praktisch. Es entspricht gerade der Aufgabe der Presse als „Wachhund der Öffentlichkeit“ sich mit diesen Gesichtspunkten zu befassen und die Öffentlichkeit zu informieren. Ferner ist zu berücksichtigen, dass ein Unternehmer eine der Wahrheit entsprechende Kritik an seinen Leistungen hinnehmen muss.

Auch die Grenze einer unzulässigen Prangerwirkung ist im vorliegenden Fall nicht überschritten, denn die Unternehmerin nimmt für sich in ihrer Werbung in Anspruch, an der Produktion von Eiern von „glücklichen“ frei laufenden Hühnern beteiligt zu sein und diese im Handel zu angemessenen Konditionen anzubieten. Sie muss sich daher eine kritische Auseinandersetzung mit der Frage gefallen lassen, ob sie den von ihr erhobenen Anspruch auch erfüllt.